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100 Jahre Frauenwahlrecht

100 Jahre Frauenwahlrecht
Die Mainzerinnen und der 12. November 1918
Keine politische Stimme zu haben, nicht selbst kandidieren und keinen Einfluss auf Wahlen nehmen zu können, das war bis zum 12. November 1918 Realität für Frauen in Deutschland. Im Kaiserreich war kein Platz für mündige Bürgerinnen, und bis auf die Sozialdemokratie trat keine der damaligen Parteien für das Frauenwahlrecht ein. Mit Ende des Ersten Weltkriegs und des Kaiserreichs aber erhielten die Frauen in Deutschland durch Beschluss des Rates der Volksbeauftragten endlich das aktive und passive Wahlrecht - und damit ein Recht, für das viele von ihnen jahrzehntelang beharrlich gekämpft hatten. Der lange Kampf ums Frauenwahlrecht fand nicht nur in Berlin, Frankfurt, Hamburg oder München statt, sondern ebenso in den nicht ganz so großen Städten wie Mainz.

Die Mainzerinnen und das Frauenwahlrecht

Auch etliche Mainzerinnen hatten sich früh der Frauenwahlrechtsbewegung angeschlossen. 1907 wurde beispielsweise eine eigene Ortsgruppe des Vereins für Frauenstimmrecht ins Leben gerufen. Dieser 1902 von der bekannten Frauenrechtlerin Dr. Anita Augspurg in Hamburg gegründete Verein repräsentierte mit der Forderung nach einem demokratischen Wahlrecht für Frauen und Männer eine der fortschrittlichen Strömungen der Stimmrechtsbewegung. Führende Vertreterinnen der Mainzer Ortsgruppe waren die Lehrerin und spätere Stadträtin Lina Bucksath und die ursprünglich aus München stammende und in vielen Mainzer Frauenorganisationen aktive Emma Nägeli. Beide Frauen engagierten sich zusätzlich im Hessischen Landesverein für Frauenstimmrecht, dem Zusammenschluss der Ortsgruppen aus Darmstadt, Mainz, Nauheim und Worms. Mit 104 Mitgliedern war die Mainzer Gruppe die größte im Hessischen Landesverein. Alle vier hessischen Ortsgruppen zusammen kamen auf 270 Mitglieder. Daneben führten die Sozialdemokratinnen ihren eigenen politischen Kampf ums Stimmrecht. Sie hatten zumindest die Gewissheit, seit dem Parteitagsbeschluss 1891 mit ihrer Forderung offiziell Rückhalt in der SPD zu haben.

Wie alle Gruppen in der Frauenstimmrechtsbewegung luden auch die Mainzerinnen zu Gruppenabenden und öffentlichen Veranstaltungen ein, um bei Frauen das Interesse für Politik zu wecken oder zu stärken. Zum Stadtgespräch wurde ein Vortragsabend des Vereins für Frauenstimmrecht am 6. Dezember 1912 in der Mainzer Liedertafel. Eingeladen war eine Vertreterin der englischen Suffragetten. Ihre Schilderungen des so viel radikaleren Kampfes der Engländerinnen trafen beim rund einhundertköpfigen Publikum allerdings auf wenig Gegenliebe. Die Mainzerinnen setzten genauso wie die Frauenstimmrechtsbewegung in Deutschland insgesamt auf Appelle und Petitionen, um an ihr Ziel zu gelangen.

Mitreden in der Stadt

Öffentlichkeitsarbeit fürs Frauenwahlrecht in Mainz - dazu gehörte auch, politisch stark auf das Wahlrecht auf kommunaler Ebene zu setzen und zudem Frauen den Zugang zu Positionen in der Stadtverwaltung zu verschaffen. So führte Mainz als eine der ersten Städte in Deutschland 1910 das Amt einer Polizeiassistentin ein und besetzte die Stelle mit Klara Schapiro. Ein weiteres Betätigungsfeld fanden die Mainzerinnen in der Reform der Städteordnung für das Großherzogtum Hessen-Darmstadt. In einer gemeinsamen Aktion war es den hessischen Frauenvereinen gelungen, eine Änderung zu erwirken. Danach konnten Frauen im Großherzogtum ab 1911 zu stimmberechtigten Mitgliedern von Ausschüssen (damals Deputationen genannt) für das Armenwesen, das Unterrichts- und Erziehungswesen, die Gesundheitspflege und das Krankenhauswesen gewählt werden. Die allgemein für Männer gültigen Wahlmodalitäten mussten sie dafür nicht erfüllen.

So hätte auch in Mainz die Möglichkeit bestanden, jeweils ein Viertel der Ausschusssitze mit Frauen zu besetzen, doch die Männermehrheit in der Stadtverordnetenversammlung konnte sich dazu nicht durchringen. Noch im März 1918 wandte sich ein Bündnis aus 21 Frauenorganisationen mit einem Offenen Brief an Oberbürgermeister Göttelmann und die 49 Stadtverordneten, um auf den Missstand aufmerksam zu machen, dass es gerade einmal acht Frauen gelungen war, in die Deputationen berufen zu werden, während in Offenbach immerhin 19 Frauen gewählt worden waren und in Darmstadt sogar 21.

Doch weder OB Göttelmann noch die Mainzer Stadtverordneten hatten es eilig, zu reagieren. Bis Mitte Oktober 1918 hatten die Herren keine Zeit gefunden, sich mit der Eingabe der Frauen zu befassen. Das brauchten sie dann auch nicht mehr, denn einen Monat später entschieden die sechs Männer im Rat der Volksbeauftragten für sie mit.

Wahljahr 1919

Gleich dreimal konnten dann die Mainzerinnen im Jahr 1919 von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen. Das erste Mal am 19. Januar 1919 bei der Wahl zur Verfassungsgebenden Nationalversammlung, das zweite Mal am 26. Januar 1919 bei der Wahl zur Verfassungsgebenden hessischen Volkskammer und dann am 9. November 1919 bei der Wahl zur Stadtverordnetenversammlung. Und sie machten tatsächlich rege Gebrauch von ihrem neuen Recht. So gingen am 19. Januar 1919 rund 90 Prozent der wahlberechtigten Mainzerinnen und Mainzer zur Wahl - und die Frauen standen den Männern in nichts nach.

Wählen ja, gewählt werden, war da schon schwieriger. Unter den 188 Personen, die beispielsweise am 9. November 1919 zur Wahl der Stadtverordnetenversammlung angetreten waren, fanden sich gerade einmal 23 Frauen. Letztendlich gewählt wurden drei Frauen: Lina Bucksath für die Deutsche Demokratische Partei (DDP), Martha Seering für die SPD und Elisabeth Schiffmacher von der Zentrumspartei. Sie hatten zumindest das Glück, relativ weit vorn auf den Wahllisten ihrer Parteien zu stehen. Die meisten Kandidatinnen mussten sich mit hinteren Listenplätzen begnügen. Bei drei, maximal vier, weiblichen Stadtverordneten blieb es in der Zeit der Weimarer Republik. 1933 war der Aufbruch der Frauen in die Kommunalpolitik schon wieder zu Ende. Die Nationalsozialisten duldeten nur noch „Ratsherren“.

Auch bei der ersten Kommunalwahl nach dem Ende der Naziherrschaft im Jahr 1946 gelang nur drei Frauen der Einzug in den Stadtrat. Erst bei den Kommunalwahlen in den 1990er Jahren kamen die Frauen auf einen relevanten Anteil von 40 Prozent. Doch auch dieser Anteil ist nicht in Stein gemeißelt, wie spätere Wahlen zeigten.

Mehr Informationen zur frauenpolitischen Seite der Mainzer Kommunalpolitik bietet die 2009 veröffentlichte Begleitbroschüre zur Ausstellung „90 Jahre Frauenwahlrecht: Frauen im Mainzer Stadtrat“.
Mit 100 Jahren Frauenwahlrecht auf kommunaler Ebene in Rheinland-Pfalz befasst sich die Broschüre der LAG der kommunalen Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten
Informatives zur Kommunalpolitik für interessierte Frauen in Mainz bietet die Broschüre: