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Pressemeldung

Auf dem Mainzer Petersplatz wurde heute die Bronzeskulptur „diffamiert“ des Künstlers Konrad Franz offiziell eingeweiht. Das Kunstwerk erinnert an die rund 70.000 Menschen, die im Nationalsozialismus als „Asoziale“ oder „Berufsverbrecher“ diffamiert, verfolgt und ermordet wurden, darunter viele wohnungslose Menschen. Es ist das erste öffentliche Denkmal in Deutschland, das dieser lange vergessenen Opfergruppe gewidmet ist.

Landeshauptstadt Mainz weiht deutsches Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten wohnungslosen Menschen ein

Initiiert wurde die Aufstellung des Denkmals vom Verein Armut und Gesundheit in Deutschland e. V. und seinem Gründer Prof. Gerhard Trabert, der sich seit vielen Jahren für wohnungslose und benachteiligte Menschen einsetzt. Das Denkmal wurde durch Spendengelder finanziert, die der Verein eingeworben hat.

Oberbürgermeister Nino Haase betonte in seiner Ansprache die besondere Bedeutung dieses Gedenkorts: „Mit dieser Gedenkskulptur erinnern wir heute an Schicksale, die viel zu lange vergessen wurden. Erst 2020 hat der Deutsche Bundestag diese Opfergruppen offiziell anerkannt – ein Anfang, der spät kommt und zugleich ein Auftrag ist: für Aufklärung, für Forschung und für lebendiges Erinnern.“ Haase verwies zudem auf den bewusst gewählten Standort, an dem einst der sozial engagierte Pfarrer Franz Adam Landvogt wirkte: „Mit diesem Platz vor St. Peter haben wir den passenden Ort gefunden – an einem Ort der gelebten Menschlichkeit. Dieses Kunstwerk mahnt uns nicht nur an die Gräuel des Nationalsozialismus, sondern auch daran, dass es heute Menschen gibt, die schutzlos, arm und ausgegrenzt am Rand unserer Gesellschaft leben.“ Angesichts der aktuellen Lage sagte er weiter: „Mehr als eine Million Menschen in Deutschland sind inzwischen wohnungslos, ein Rekordstand. Gerade wohnungslose Menschen erleben auch heute Anfeindungen und Gewalt, häufig aus rechtsradikischen Kreisen. Das dürfen wir nicht hinnehmen. ‚Nie wieder‘ heißt, dass wir uns denen entgegenstellen müssen, die das Gedankengut des Nationalsozialismus noch heute in sich tragen.“

Kulturdezernentin Marianne Grosse hob anschließend den langen und sensiblen Entstehungsprozess der Skulptur hervor, an dem Expert:innen aus Gedenkarbeit und Stadtforschung sowie der städtische Kunstbeirat beteiligt waren. „Es gibt keine Vorbilder für ein Denkmal dieser Art, deshalb haben wir intensiv diskutiert, gerungen und schließlich einen deutschlandweiten Wettbewerb ausgelobt. Der Entwurf von Konrad Franz hat uns sofort überzeugt: Er gibt dem Leid der Opfer eine Gestalt. Die geduckte Gruppe von Menschen ist ein eindringliches Bild für Demütigung und Entmenschlichung und sie ist nun sichtbar in unserer Mitte“, sagte Grosse. Gleichzeitig verwies sie auf die Notwendigkeit weiterer Forschung: „Zur Verfolgung wohnungsloser Menschen im Nationalsozialismus gibt es bisher kaum gesicherte Erkenntnisse. Dieses Kunstwerk ist deshalb nicht das Ende, sondern der Beginn einer dringend notwendigen Aufarbeitung.“

Für den Verein Armut und Gesundheit in Deutschland e. V., der das Projekt gemeinsam mit der Stadt umgesetzt hat, sprach Klaus Richard Kröhl. „Ich kenne den Verein und Dr. Trabert schon seit rund 20 Jahren. Ich selbst war obdachlos und habe zwei Jahre auf der Straße gelebt. Es ist eine harte Zeit: Man ist für die anderen unsichtbar, wird oft erniedrigt und stigmatisiert. Viele Menschen geraten in einen Strudel aus Armut, Alkohol oder Ausgrenzung und können ohne Unterstützung kaum wieder herauskommen. Ich hatte Glück: Mit Hilfe, medizinischer Versorgung, einem Zimmer und schließlich Arbeit konnte ich wieder ein eigenes Zuhause finden. Heute habe ich ein Dach über dem Kopf und kann wieder malen – etwas, das mir unheimlich viel bedeutet. Leider ist die Lage für wohnungslose Menschen heute härter geworden. Sie haben oft kein Geld, keine Möglichkeiten und werden immer häufiger angegriffen, beschimpft oder bedroht, selbst hier in Mainz. Trotzdem denken viele: Obdachlosigkeit sei selbstverschuldet. Dabei kann jeder in diese Situation geraten – das will nur kaum jemand wahrhaben. Dieses Denkmal erinnert uns nicht nur an die Opfer im Nationalsozialismus, sondern auch daran, dass wir heute Verantwortung für die Menschen in Not übernehmen müssen.“

Mit der Einweihung der Skulptur „diffamiert“ setzt die Stadt Mainz ein deutliches Zeichen für eine verantwortungsvolle Erinnerungskultur und für die Anerkennung von Menschen, deren Leid über Jahrzehnte kaum Beachtung fand. Das Denkmal soll künftig nicht nur an vergangenes Unrecht erinnern, sondern auch Anstoß geben, Forschungslücken zu schließen und soziale Ausgrenzung in der Gegenwart sichtbar zu machen.

Herausgeber

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Andreas Behringer
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