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Neue Synagoge Mainz
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Jüdisches Mainz - Geschichte

Magenza. Eine der ältesten jüdischen Gemeinden Deutschlands.

Die Jüdische Gemeinde in Mainz gehört zu den ältesten im deutschsprachigen Kulturraum. Bereits im 10. Jahrhundert existierte hier eine jüdische Gemeinschaft. Berühmtheit erlangte sie durch das Wirken ihrer Gelehrten, die Magenza zu einem religiösen und kulturellen Zentrum des Judentums im Mittelalter machten.

Pogrome und kulturelle Blüte (Zeit der SchUM-Städte)

Kulturelle Blüte, ein weitgehend autonomes Gemeindeleben und eigene kultische Einrichtungen, wie Synagoge, Mikwe, Metzgerei und Backhaus, dürfen jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die gesellschaftliche Stellung der Juden auch in Mainz während des gesamten Mittelalters immer wieder gefährdet blieb. Außen- und innenpolitische Spannungen konnten sich schnell zu einer existenziellen Bedrohung für die Juden entwickeln. Gleich der erste Kreuzzug endete 1096 in einer Katastrophe für die Mainzer Jüdische Gemeinde. Im Zusammenhang mit dem Aufruf zu einem Kriegszug gegen die Muslime zur Befreiung des Heiligen Landes radikalisierte sich die Stimmung gegen die Juden, die gemeinhin als Mörder Jesu gebrandmarkt waren. Aufgestachelte Fanatiker und Abenteurer zogen in Horden durch das Land mit dem Ziel, die Juden im eigenen Land zu vernichten. Der damalige Erzbischof Ruthard entzog sich seiner Schutzverpflichtung gegenüber den Mainzer Juden durch Flucht und gab sie dem Gemetzel preis. Weit mehr als 1000 Juden fanden den Tod bei dem Massaker, und Erzbischof Ruthard haftete der Verdacht an, sich an ihrem Vermögen bereichert zu haben.

Wie schnell allgemeine Krisen sich in Aggressionen gegenüber Juden entladen konnten, zeigen die Ereignisse während der Pestepidemien des Jahres 1349. Die Ohnmacht, dieser Seuche Herr zu werden, drückte sich in wilden Spekulationen über die Ursachen dieser Krankheit aus, in denen die Juden als angebliche Brunnenvergifter zu den Schuldigen gemacht wurden. Die Mainzer Juden, seit knapp hundert Jahren dazu verpflichtet, sich durch das Tragen eines Judenhuts und eines gelben Stoffringes kenntlich zu machen, gerieten ebenfalls unter Verdacht und waren erneut den aufgebrachten Massen ausgeliefert. Zu wiederholten Vertreibungen der Juden kam es im Verlauf der für Mainz unruhigen Zeiten des 15. Jahrhunderts. Innerstädtische Machtkämpfe, große Finanznot und der Verlust der Stadtfreiheit infolge des Krieges um den Mainzer Erzbischofsstuhl prägten das Geschehen. 1471 mussten schließlich sämtliche Juden den Kurstaat verlassen. Ihr Grundbesitz wurde vom Staat beschlagnahmt und die Synagoge in Mainz in eine christliche Kapelle umgewandelt.

Jüdisches Leben im Ghetto

In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts ließen sich wieder Juden in Mainz nieder, denen man ein befristetes, verlängerbares Aufenthaltsrecht gegen Zahlung von so genannten Schutzgeldern gewährte und die somit eine willkommene zusätzliche Einnahmequelle für den Kurfürsten darstellten. Es dauerte jedoch noch bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts, ehe sich wieder eine Gemeinde ansehnlicher Größe in Mainz etabliert hatte.

Das Anwachsen der Jüdischen Gemeinde wurde allerdings mit großem Argwohn beobachtet. Insbesondere die Zünfte, die nach dem Dreißigjährigen Krieg unter der noch schlechten allgemeinen Wirtschaftslage litten, beschwerten sich über die zunehmende Konkurrenz durch die Juden. Ihren Klagen schenkte Kurfürst Johann Philipp von Schönborn Gehör und erließ am 8. Dezember 1662 ein folgenschweres Dekret für die jüdischen Bewohner in Mainz.

Ohnehin von den Zünften und damit von den meisten Handwerken ausgeschlossen, wurden den Juden weitere wirtschaftliche Beschränkungen auferlegt, wie z. B. das Verbot, „offene Läden“ zu führen, oder die Erlaubnis, nur mit bestimmten Waren Handel treiben zu dürfen. Die Anzahl der schutzverwandten jüdischen Familien wurde zunächst auf 20, kurz darauf auf 10 beschränkt und das zukünftige Wohnviertel auf die schon damals existierende Judengasse eingegrenzt, die an beiden Seiten verschlossen sein musste. Die zahlenmäßige Beschränkung der zugelassenen jüdischen Familien in Mainz war so nicht aufrechtzuerhalten und wurde bald auf 101 Familien angehoben. Die Begrenzung des Wohngebietes auf die Gasse blieb jedoch bestehen. Im Verlauf der Jahrzehnte wurde das Wohnrecht auf insgesamt zwei Gassen, die Geschlossene Judengasse und die an ihrer Ostseite frei zugängliche Offene Judengasse (ab der Mitte des 19. Jahrhunderts: Vordere und Hintere Synagogengasse) ausgeweitet, die parallel zueinander verliefen und zwischen der Klara- und Löwenhofstrasse lagen. Als Konsequenz der stetig anwachsenden Jüdischen Gemeinde, die um 1790 schätzungsweise 543 Personen zählte, wurde der Wohnraum im Judenviertel zusehends knapper. Dicht aneinander gedrängt standen hier auffallend schmale Häuser, die überdurchschnittlich hoch und tief gebaut waren.

Mainzer Juden im Zeitalter der Aufklärung

Die Philosophie der Aufklärung mit dem Prinzip der Gleichheit aller Menschen zeigte ihre erste Wirkung für die Mainzer Juden unter der Regierungszeit der Kurfürsten Emmerich Josef von Breidbach-Bürresheim (1763-1774) und Friedrich Karl Joseph von Erthal (1774-1797). Die Juden erhielten die Erlaubnis, auch außerhalb des Judenviertels zu wohnen, die Zulassung zum Medizinstudium an der Mainzer Universität wurde ihnen gewährt und jüdische Kinder durften erstmals christliche Schulen besuchen. Die rechtliche Gleichstellung mit den Christen brachte die französische Besatzungszeit von 1792/93 und 1798-1814 für die Mainzer Juden, die dennoch misstrauisch gegenüber ihren neuen Herren blieben.

Obrigkeitsstaatliche Eingriffe in jüdische Gemeindeangelegenheiten sowie die Einführung des diskriminierenden Dekrets von Napoleon aus dem Jahre 1808, das zur Ausübung eines Gewerbes ein so genanntes „Moralitätspatent“ für Juden zwingend vorschrieb, bestätigten dieses Misstrauen. Nach den Befreiungskriegen und dem Ende der napoleonischen Ära in Europa erschien die rechtliche Lage der Mainzer Juden im Vergleich zu den benachbarten Juden in Frankfurt ungleich günstiger. Doch einige Einschränkungen behielten weiterhin ihre Gültigkeit. Das „Schändliche Dekret“ von 1808 wurde erst 1847 außer Kraft gesetzt, und der Eintritt in den Staatsdienst blieb den Juden noch lange verwehrt.

Die Emanzipation der Juden

Die jüdische Emanzipationsbewegung, die in Deutschland nach fast hundert Jahren mit der Gründung des Deutschen Reiches im Jahre 1871 ihren rechtlichen Abschluss fand, war von tiefgreifenden Veränderungen des jüdischen Lebens begleitet, die auch deutliche Spuren in Mainz hinterließen. Die Christen waren zunächst noch lange nicht bereit, jüdische Nachbarn zu dulden, so dass das Judenviertel weiterhin bevorzugtes Wohngebiet blieb. Erst allmählich siedelten sich Juden in der näheren Umgebung am Flachsmarkt und im Bleichenviertel an. Nach der Öffnung des Ghettos hatten einzelne Juden auch begonnen, sich für die neuen Ideen der Aufklärung zu interessieren und sich unter diesem Eindruck kritisch mit der traditionellen Auffassung des Judentums auseinandergesetzt.

Damit den Anforderungen der neuen bürgerlichen Gesellschaft entsprochen werden konnte, gründete der jüdische Pädagoge und spätere Lehrer am berühmten Frankfurter Philanthropin, Michael Creizenach, 1814 in Mainz eine Schule, um bisher vernachlässigtes, weltliches Wissen und Fremdsprachen an jüdische Schüler zu vermitteln.

Der Mainzer Isaak Jakob Bernays, ab 1821 Rabbiner in Hamburg, ist bekannt für seine religiösen Reformbemühungen. Einige der angestrebten Neuerungen waren allerdings für einen Teil der jüdischen Gemeinde in Mainz, der weiterhin dem traditionellen Judentum verhaftet blieb, zu weitreichend, so dass es 1849 zu einer Spaltung kam. Die liberale „Israelitische Religionsgemeinde“ weihte 1853 ihre Synagoge in der Vorderen Synagogenstraße ein, der 1912 der prächtige Neubau der Hauptsynagoge in der Hindenburgstraße folgen sollte.</p>

An der Ecke Flachsmarktstraße/ Margaretengasse baute sich die orthodox ausgerichtete „Israelitische Religionsgesellschaft“ 1856 eine eigene Synagoge, die 1879 durch einen größeren Bau im maurischen Stil nach den Plänen des Stadtbaumeisters Eduard Kreyßig ersetzt wurde. Nominell verblieb es zwar bei einer Jüdischen Gemeinde in Mainz. Die beiden Gruppierungen führten jedoch ein eigenes Gemeindeleben mit jeweils eigenen Einrichtungen.

Nationalsozialistische Machtübernahme und Ende von Magenza

Als im Jahre 1933 die Nationalsozialisten die Macht in Deutschland übernahmen, gab es in Mainz ein reges, jüdisches Gemeindeleben mit etwa 2600 Mitgliedern. Schnell schritt ihre Entrechtung voran. Nach Entlassungen aus dem öffentlichen Dienst und dem Boykott jüdischer Geschäfte folgten 1935 die Nürnberger Rassegesetze, die den Juden die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannten. Jüdische Schüler mussten ihre Schule verlassen, ein Studium und eine Ausbildung wurden ihnen verwehrt. Zunehmend wurden jüdische Besitzer unter Druck gesetzt, ihre Geschäfte, Betriebe und Häuser – meist weit unter Wert – an „Arier“ zu übertragen. Zahlreiche Menschen wurden in die Emigration getrieben.

n der Pogromnacht vom 9. zum 10. November 1938 wurden die Synagogen in der Hindenburg- und Flachsmarktstraße geplündert und in Brand gesetzt. Am darauffolgenden Morgen kam es zu zahlreichen Übergriffen auf Geschäfte und Wohnungen von Juden sowie zu Misshandlungen von Menschen. Dutzende von jüdischen Männern wurden verhaftet und in Konzentrationslager eingeliefert. Nach Kriegsbeginn wurde das Auftreten in der Öffentlichkeit für Juden, die sich in Deutschland ab 1941 durch das Tragen des gelben „Judensterns“ kenntlich machen mussten, immer gefährlicher. Immer mehr wurde Ihnen auch die Möglichkeit genommen, sich frei zu bewegen. Sie mussten zusammengezwängt in so genannten „Judenwohnungen“ leben. Sie mussten ihre Radios, Schreibmaschinen, Autos, ihren Schmuck, alle Silbergegenstände und Pelzmäntel abliefern, durften kein Telefon und keine Haustiere mehr besitzen, keine öffentlichen Verkehrsmittel benutzen, keine Schwimmbäder besuchen, nicht auf Parkbänken sitzen und nur noch von jüdischen Ärzten behandelt werden. Sie erhielten geringere Lebensmittelzuteilungen als die übrige Bevölkerung und durften nur zu bestimmten Uhrzeiten einkaufen, um nur einige Beispiele der Schikanen und Einschränkungen zu nennen.

Der Unterdrückung und Demütigung folgte schließlich die Vernichtung. Im März und September 1942 wurden in drei großen Transporten über 1000 jüdische Männer, Frauen und Kinder, darunter viele sehr alte Menschen, nach Polen und in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Am 10. Februar 1943 ging der letzte Transport von Mainz aus in die Konzentrationslager. Bei der Befreiung durch amerikanische Truppen 1945 lebten nur noch wenige Juden in sog. Mischehen in Mainz. Es ist von etwa 1300 bis 1400 ermordeten Mainzer Juden auszugehen, unschuldige Opfer des nationalsozialistischen Rassenwahns.

Entwicklung nach 1945

Nach dem Krieg kehrten nur wenige Emigranten in ihre Heimatstadt Mainz zurück. Zu schmerzlich waren die Erinnerungen an die erlittenen Demütigungen und Verfolgungen sowie die erlebten Verbrechen. 24 Überlebende des Konzentrationslagers Theresienstadt wurden mit dem Bus nach Mainz zurückgebracht. Unter ihnen befand sich Max Waldmann, der erste Vorsteher der am 17. Oktober 1945 neu gebildeten Jüdischen Gemeinde. Von den neuen Gemeindemitgliedern stammten nur wenige aus Mainz oder Rheinhessen. Der Neuanfang in einer Zeit wirtschaftlicher Not und im Bewusstsein der Grauen der Vergangenheit war schwierig.

Im Lauf der Jahre kam auch der Dialog mit den aus Mainz stammenden Emigranten jüdischen Glaubens, die in der ganzen Welt zerstreut leben, wieder in Gang. Einige kamen zu privaten Besuchen nach Mainz, um die Gräber ihrer Verwandten zu besuchen, um alte Freundschaften wieder aufleben zu lassen oder um ihren Kindern und Enkelkindern ihre ehemalige Heimatstadt zu zeigen. Nachdem der Stadtrat die finanziellen Mittel bewilligt hatte, fanden in den Jahren 1991, 1992, 1993, 1995, 1998 und 2001 Begegnungswochen statt, zu denen insgesamt mehrere hundert emigrierte Mainzer Juden für die Dauer einer Woche in ihre Geburtsstadt eingeladen wurden.

Doch nicht allen war es möglich, noch einmal nach Mainz zu kommen. Einige waren zwischenzeitlich verstorben oder auf Grund ihres Alters und ihres Gesundheitszustands nicht mehr in der Lage, die weite Reise anzutreten. Andere wiederum lehnten es auf Grund ihrer leidvollen Erfahrungen ab, noch einmal ihre alte Heimat zu besuchen. Die insgesamt positive Resonanz auf die Begegnungswochen zeigt, dass damit ein wesentlicher Beitrag zur Aussöhnung geleistet wurde, den es fortzusetzen gilt - im gleichzeitigen Bewusstsein, dass eine Wiedergutmachung nicht möglich ist. Derzeit steht die Stadt Mainz noch mit einer Vielzahl von emigrierten Mainzerinnen und Mainzern sowie deren Nachkommen in aller Welt in Verbindung.


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