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Die Mainzer Republik

Die politische und kulturelle Bedeutung der Stadt Mainz im ausgehenden 18. Jahrhundert

"Rheinisches Athen" oder "Nabel der aristokratischen Welt" - nur zwei beispielhaft herausgegriffene Bezeichnungen, die die immense politische und kulturelle Bedeutung des kurfürstlichen Mainz im ausgehenden 18. Jahrhundert deutlich zum Ausdruck bringen. In ihrer Funktion als kurfürstliche Residenz- und Hauptstadt, als Erzbischofssitz, Universitäts- und Festungsstadt im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation kam Mainz eine führende Rolle zu. Mit ca. 25.000-30.000 Einwohnern gehörte Mainz am Vorabend der Französischen Revolution zu den eher großen und wohlhabenden Städten des Reiches, wirtschaftlich gesehen aber stand es immer im Schatten der Messestadt Frankfurt. Der Erzbischof von Mainz zählte jedoch zu den wichtigsten Personen des Reiches, da er gleichzeitig das Amt des Ersten Kurfürsten und des Erzkanzlers des Reiches innehatte.

Kurfürst Friedrich Karl Joseph von Erthal (1719-1802, Kurfürst ab 1774), eine "geistreiche, hochgebildete und kunstsinnige", aber ebenso eitle und starrsinnige Persönlichkeit, verschwendete zwar Unsummen für luxuriöses Gepränge und höfisch-barocke Zurschaustellung, förderte aber ebenso Kunst und Wissenschaft, Handel, Handwerk und Gewerbe. Von seiner Toleranzpolitik gegenüber Protestanten und Juden profitierte z. B. Georg Forster, der spätere Vizevorsitzende des Jakobinerklubs und Vizepräsident des Rheinisch-Deutschen Nationalkonvents.

Veränderungen im Sinne der französischen Revolution

Die Gelehrten der Stadt Mainz, der Adel und die Geistlichkeit verfolgten intensiv und aufgeschlossen die sich überschlagenden Ereignisse im revolutionären Paris. Sie wurden vielfach in kleinen Gesellschaften diskutiert und es kursierten sogar Schriften und Flugblätter mit Titeln wie "Droits de l´homme et du citoyen".

Spätestens 1790/91 begannen die revolutionären Geschehnisse in Frankreich endgültig ihre Schatten auf den nahegelegenen Mainzer Kurstaat zu werfen. Im eng verzahnten deutsch-französischen Grenzgebiet breiteten sich die Ideen und Ideale der Revolution - Liberté, Egalité, Fraternité - wie ein Lauffeuer aus: Bauern verweigerten ihre Abgaben, Handwerker gingen protestierend auf die Straße, oft mit den Farben und Parolen der Revolution. Nach der französischen Kriegserklärung an den deutschen Kaiser vom 20. April 1792 und ersten Vorstößen der Revolutionsarmee nach Belgien spitzte sich die Lage weiter zu; die europäischen Fürsten entschlossen sich zu gemeinsamen Gegenmaßnahmen...

Einzug der Franzosen in Mainz

Am 10. August 1792 wurde der französische König Louis XVI. gestürzt; wenig später, am 21. September, die Französische Republik ausgerufen. Während die Deutschen sich Hals über Kopf aus der Champagne zurückziehen mussten, stießen die französischen Revolutionstruppen im Namen ihres sogenannten "Kreuzzuges für die Freiheit Europas" unter General Custine ungehindert nach Norden vor. Mitte Oktober standen sie vor Mainz, einer der stärksten Festungen des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Kurfürst F. K. J. von Erthal war längst geflohen, die Festung zudem völlig unterbesetzt.

Zu sehen ist ein Kupferstich, der die Übergabe der Stadt an General Custine am 22. Oktober 1792 auf der Anhöhe vor Weisenau zeigt. Ohne große Mühe gelang es Custine daher, die kopflose Stadt am 21. Oktober 1792 einzunehmen. Zwar stießen die Franzosen von hier aus auch in rechtsrheinisches Gebiet vor, dennoch blieb Mainz immer Zentrum ihrer politischen und militärischen Aktionen. Dabei legten die Franzosen großen Wert darauf, nicht als Eroberer oder Unterdrücker, sondern als Befreier der politisch rechtlosen Bevölkerung aufzutreten. So erklärte Custine am 23. Oktober 1792, dass "Euer eigener, ungezwungener Wille...Euer Schicksal entscheiden [soll]"(Dumont). Aufgrund der unsicheren militärischen Lage vermied es ein Großteil der städtischen Bevölkerung zunächst öffentlich Position zu beziehen. Eine in 40 Ortschaften des Mainzer Umlandes durchgeführte Umfrage zeigte jedoch - zumindest nach massiver Propaganda - eine überwiegend zustimmende Haltung der Landbevölkerung gegenüber Veränderungen im Sinne der Revolution.

Neue Verwaltung der Mainzer Republik

"Der schon von Zeitgenossen geprägte, heute allgemein übliche Begriff ‘Mainzer Republik’ meint nicht [nur] den kurzlebigen ‘Rheinisch-Deutschen Freistaat’ vom März 1793, sondern die insgesamt neun Monate französischer Okkupation, in denen sich die Besatzungsmacht zusammen mit ihren deutschen Anhängern bemühte, Mainz und sein linksrheinisches Hinterland zu einer Republik umzugestalten und diese mit Frankreich zu vereinigen."(F. Dumont) Trotz der relativ kurzen Zeitspanne erfuhr die Stadt Mainz in diesen neun Monaten tiefgreifendere politische Veränderungen als im gesamten Jahrhundert zuvor.

Bereits zwei Tage nach der Kapitulation der Stadt gründete sich in Mainz nach französischem Vorbild ein zunächst aus 20 Studenten, Professoren,Beamten und Kaufleuten bestehender Jakobinerklub unter dem Namen "Gesellschaft der Freunde der Freiheit und Gleichheit", der bald darauf Tochtergesellschaften in Worms und Speyer erhielt. Obwohl Custine an der politischen Ordnung des Kurstaates so lange nichts ändern wollte, bis die Einheimischen sich aus freien Stücken heraus für die Annahme der "fränkischen Konstitution" ausgesprochen hätten, ersetzte er am 18. bzw. 19. November den alten Beamtenapparat durch eine sogenannte "Allgemeine Administration". Der Vorsitz ging an Anton Joseph Dorsch und Georg Forster. Die Städte Mainz, Worms und Speyer (später auch Bingen) erhielten bald darauf jeweils zusätzlich eine eigene Verwaltung.

Mit Unterstützung ihrer neu geschaffenen Verwaltung und der rasch anwachsenden Jakobinerklubs betrieben die Franzosen im linksrheinischen Gebiet zwischen Landau und Bingen von nun an eine massive Propaganda. Weitaus besser als durch Plakate oder Flugblätter wurden die Gedanken der Revolution dabei durch die Errichtung sogenannter Freiheitsbäume transportiert. Sie knüpften an die jahrhundertealte Tradition des Kirchweihbrauchtums an und waren bald in fast jeder Ortschaft zu finden, was gleichzeitig zur Popularität der Franzosen beitrug.

Aus Enttäuschung über die anhaltende Trägheit der Bevölkerung in den "befreiten" Gebieten verfügte der Pariser Nationalkonvent am 15. Dezember 1792 eine zwangsweise Einführung der französischen Demokratie im gesamten von der Revolutionsarmee besetzten Gebiet. Zudem gerieten die Franzosen auch militärisch immer mehr in Bedrängnis: Am 2. Dezember hatten alliierte deutsche Truppen die Stadt Frankfurt am Main zurückerobert; der Mythos von der Unbesiegbarkeit Custines war gebrochen, die französische Armee musste sich bis an die Mainmündung zurückziehen.

Wahlen zum Rheinisch-Deutschen Nationalkonvent

Dennoch fanden am 24. Februar 1793 Wahlen zu einem sogenannten "Rheinisch-Deutschen Nationalkonvent" statt, die allerdings mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden waren: Vor der Wahl mussten die Wähler einen Eid auf Volkssouveränität, Freiheit und Gleichheit leisten, was vielerorts angesichts der immer näher rückenden preußisch-hessischen Armee aus Angst vor Vergeltungsmaßnahmen zu hitzigen Debatten oder gar Wahlverweigerungen führte. Außerdem war das für die Wahlen bestimmte Gebiet zwischen Bingen und Landau nur unzureichend von der französischen Verwaltung erfasst worden. Nur 130 entsandten frei gewählte Abgeordnete in den Rheinisch-Deutschen Nationalkonvent, der folglich auch nur im Namen dieser Orte Entscheidungen treffen konnte.

Rheinisch-Deutscher Freistaat

Nach der gemeinsamen Teilnahme an einem Hochamt in der Peterskirche - um dem häufig geäußerten Vorwurf der Glaubensfeindlichkeit der Revolution entgegenzuwirken - konstituierte sich der Rheinisch-Deutsche Nationalkonvent am 17. März 1793 im Rittersaal des Mainzer Deutschhauses. Zum Konventspräsidenten wurde Anton Joseph Hofmann, zu seinem Stellvertreter Georg Forster gewählt.

Bereits am Tag darauf verfügten die Abgeordneten - überwiegend Mitglieder der Jakobinerklubs - per Dekret, dass "der ganze Strich Landes von Landau bis Bingen, welcher Deputierte zu diesem Konvente schickt, von jetzt an einen freien, unabhängigen unzertrennlichen Staat ausmachen [solle], der gemeinschaftlichen, auf Freiheit und Gleichheit gegründeten Gesetzen" gehorche, den sogenannten "Rheinisch-Deutschen Freistaat" (H.Scheel) Im selben Handstreich wurden "alle bisherigen angemaßten willkürliche[n] Gewalten abgeschafft".

Dieses Dekret stellte einen wahrhaft revolutionären Akt dar. Heinrich Scheel bezeichnet es als "die Geburtsurkunde der bürgerlichen Demokratie in Deutschland", da es das erste deutsche Schriftstück sei, das sich zu Volkssouveränität, Rechtsgleichheit und politischer Freiheit bekenne.

Formaler Anschluss an Frankreich

Am 21. März 1793 beschlossen die Deputierten einstimmig, vor dem Pariser Nationalkonvent um eine Vereinigung des aus eigener Kraft nicht lebensfähigen Rheinisch-Deutschen Freistaates mit dem "Mutterland" Frankreich zu bitten. Tatsächlich reiste am 25. März eine aus Georg Forster, dem Kaufmann Georg Patocki und dem 27-jährigen Mainzer Doktor der Philosophie Adam Lux bestehende Deputation in Richtung Paris ab.

Das Vereinigungsgesuch, die sogenannte "Reunionsadresse", wurde auch von den Abgeordneten des Pariser Nationalkonvents am 30. März begeistert angenommen, dennoch fand die Vereinigung praktisch nur auf dem Papier statt, da die alliierten deutschen Armeen das gesamte Mainzer Umland bereits zurückerobert hatten und sich der Belagerungsring um die Stadt allmählich zu schließen begann.

Unterdessen löste sich der Rheinisch-Deutsche Nationalkonvent mehr und mehr auf; viele Abgeordnete waren aufgrund der sich zuspitzenden militärischen Situation aus der Stadt geflohen. Der Konvent verhängte am 27. und 28. März zwar noch mehrere Sicherheitsmaßnahmen gegen Emigranten und Eidverweigerer und wählte am 31. März eine neue Allgemeine Administration. Am 29. März aber begannen endgültig die Vorbereitungen zur Verteidigung der Stadt gegen die Armee der deutschen Fürsten.

Die Belagerung von Mainz 1793

Als Sitz des Reichserzkanzlers war Mainz eine der stärksten Festungen des deutschsprachigen Raumes und galt als praktisch uneinnehmbar. Nach dem eher blamablen Feldzug, den Preußen 1792 im Auftrag des Reiches erfolglos gegen Custine und seine Armee geführt hatte, sah die preußische Heeresleitung in der Rückeroberung von Mainz eine willkommene Gelegenheit, ihren Ruf wiederherzustellen. Außerdem bedeutete die Einnahme der Stadt eine wichtige Voraussetzung für das Zurückdrängen der Revolutionsarmee nach Frankreich.

Bereits nach der Einnahme Frankfurts durch die deutschen Truppen am 2. Dezember 1792 und dem damit verbundenen unaufhaltsamen Vormarsch des deutschen Heeres auf Mainz ließ Custine das rechtsrheinische Kastel zu einer eigenständigen Festung ausbauen. Dennoch wurde die Stadt Mainz am 13. Dezember 1792 in den Verteidigungszustand (état de défense) und am 26. Januar 1793 in den Belagerungszustand (état de siège) versetzt. Anfang Mai aber hatte sich der Belagerungsring, bestehend aus 44.000 Soldaten mit 323 Geschützen, endgültig geschlossen.

Mainz war mit 33.000 Mann und 270 Geschützen hinlänglich zur Verteidigung gerüstet. In der Nacht vom 16. auf den 17. Juni begannen die Belagerer von der Anhöhe vor Weisenau aus mit der Beschießung der Stadt und rückten in wenigen Tagen immer dichter an die Festungsmauern heran. Am 27. Juni schließlich setzten sie erstmals schweres Geschütz ein, was in der Nacht vom 28. auf den 29. Juni zu verheerenden Bränden und Zerstörungen innerhalb der Stadt führte.

Das Ende der Mainzer Republik

Obwohl eine Kapitulation aus militärischen Gründen noch keineswegs nötig gewesen wäre, übergaben die Franzosen am 22./23. Juli 1793 die Stadt an die Belagerer, um unnötige Verluste zu vermeiden und freien Abzug zu erreichen - zumal die französischen Soldaten nicht gewillt waren, für die Verteidigung einer fremden, trotz des formalen Anschlusses an Frankreich als ausländisch erachteten Stadt ihren Kopf hinzuhalten. Am 24. und 25. Juli verließen die Franzosen die Stadt Mainz; nach nur neun Monaten wurde die kurze Epoche der Mainzer Republik ebenso abrupt beendet wie sie begonnen hatte - durch eine militärische Eroberung der Stadt.

Bibliographie der wichtigsten Titel zum Thema

Bundesarchiv und Stadt Mainz (Hrsg.), Deutsche Jakobiner. Mainzer Republik und Cisrhenanen 1792-1798, Bd. 1-3, Mainz, 1981.

Landtag Rheinland-Pfalz (Hrsg.), Die Mainzer Republik. Der Rheinisch-Deutsche Nationalkonvent, Mainz, 1993.
Dumont, Franz, Die Mainzer Republik von 1792/93. Studien zur Revolutionierung in Rheinhessen und der Pfalz, Alzey, 1982.

Scheel, Heinrich, Die Mainzer Republik, Bd. 1-3, Berlin, 1981-1989.

Quelle: Dieser Text wurde von Jörg Hartmann im Rahmen einer Facharbeit in Geschichte im April 1997 am Bischöflichen Willigis-Gymnasium verfasst. Er liegt hier nur in Auszügen vor.

Freiheitsbaum ohne Wurzeln und mit einer Jakobinermütze. Stadt Mainz
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